MESTEMACHER PREIS MANAGERIN DES JAHRES

Margret Suckale: Managerin des Jahres 2008

I.

Gegensätzlicher, meine sehr verehrten Damen und Herren, gegensätzlicher könnte wohl kaum ein Dramaturg die Rollen der Kontrahenten besetzen: Auf der einen Seite ein ehemaliger Dampflokführer, geprägt von seiner früheren Aufgabe, in schwankendem Führerstand, glutrot vorm offenen Feuerloch beleuchtet mit starker Hand tausend Tonnen schwere Güterzüge von Aachen unter gewaltig donnernden Auspuffschlägen den Berg hinauf nach Belgien zu schleppen. Und auf der anderen Seite eine Dame, eine Hanseatin, in Hamburg geboren und in Bremen aufgewachsen, stets sorgfältig unauffällig frisiert, dezentes Make-up, elegant schlicht gekleidet mit wertvollem Schmuck vereinzelt gekonnt komplettiert. Er, der alte Lokführer und Macho, nennt sie verächtlich eine „Super Nanny” und irrt sich damit gewaltig: Sie ist keine Amme und auch keine Gouvernante sondern schlicht Margret Suckale, der Manfred Schell, der Lokführer die Gelegenheit aufzwingt, einem Millionenpublikum zu demonstrieren, welch’ Solitär die Deutsche Bahn in ihrem Vorstand als Arbeitsdirektorin hat. Der Auftritt in der ARD-Talkrunde bei Anne Will war eine ihrer Sternstunden, hat ihr Gesicht, ihre Art zu argumentieren und gewinnend zu überzeugen, hat ihre Persönlichkeit als Managerin bundesweit bekannt gemacht. Im Rückblick geschaut will es scheinen, als hätte Frau Suckale drei Jahrzehnte lang auf diesen Moment hingearbeitet.

II.

Nach ihrem Studienabschluss in Jura, der ihr das Promotionsangebot eines berühmten Hamburger Gesellschaftsrechtlers eintrug, und nach dem Assessorexamen in ihrer Geburtsstadt, entschied sich Frau Suckale nicht für die Richterlaufbahn, für die sie in allem prädestiniert zu sein schien, sondern (für eine junge Frau durchaus nicht gewöhnlich) für den Eintritt in ein Unternehmen der Mineralölindustrie. Im Rückblick von heute war ihre Tätigkeit bei der Mobil Oil durch drei Elemente für Künftiges gekennzeichnet: durch die Verbindung von Juristerei mit Personalwirtschaft, durch die Internationalität ihrer Tätigkeit (Frau Suckale arbeitete nach Hamburg auch in Wien, Kopenhagen und London) und schließlich durch die Notwendigkeit, sich in einer betonten Männerwelt zu behaupten.

Vor gut zehn Jahren wechselte Frau Suckale zur Deutschen Bahn und übernahm die Leitung ihrer Rechtsabteilung – schon damals eine höchst anspruchsvolle Herausforderung. Denn zwar befand sich die DB AG auf dem Weg von der Behördenbahn zum Wirtschaftsunternehmen im Wettbewerb, aber in den Köpfen der meisten Mitarbeiter war dieser wahrhaft radikale Umschwung noch nicht so recht angekommen. Frau Suckales Vorgänger, in einem niedersächsischen Bahnhof geboren, war das personifizierte Eisenbahn- und Transportrecht. Dem hatte sie nichts anderes entgegenzusetzen als ihre Jugenderlebnisse im Liegewagen nach Italien. Und dennoch hat sie ihre Aufgabe mit Respekt, viel Fingerspitzengefühl, leise und trotzdem durchsetzungsstark glänzend binnen kurzem erledigt: Die Rechtsabteilung der Bahn mutierte zu der eines Unternehmens – dienstleistungsfähig und -bereit, um die Bahn auf ihrem Weg in die Privatwirtschaft und dann auch an die Börse erfolgswirksam zu unterstützen.

Schon das war eine Managementleistung, mit der Frau Suckale bei der Bahn, aber auch bei anderen Unternehmen zu Recht auf anerkennende Aufmerksamkeit stieß. Deshalb musste die Bahn etwas tun, wenn sie nicht eine hochbegabte Kraft ihres Top-Führungsnachwuchses verlieren wollte. Und der Vorstand der Bahn tat etwas: Er vertraute ihr zusätzlich die Leitung der Zentralen Vorstandsstäbe an, so dass sie in noch größere Nähe zur Unternehmensleitung geriet. Sie muss auch diesen Job ausnehmend gut gemacht haben; denn 2005 wurde Frau Suckale in den Vorstand der DB AG als deren Arbeitsdirektorin berufen – ein Avancement, das Spötter mit dem Bemerken kommentierten, nun habe sich Hartmut Mehdorn „sein Mädchen” in den Vorstand geholt. Aber damit wurde sie erneut unterschätzt. Ihre Kritiker verkennen ihre Gabe und Bereitschaft zum leisen und doch klaren Widerspruch mit Überzeugungskraft.

III.

So kurzsichtig waren auch jene, die Frau Suckale in den Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften erlebt hatten und ihr glaubten vorhalten zu sollen, nicht hemdsärmelig genug aufgetreten zu sein, nicht genügend Durchsetzungsvermögen entfaltet zu haben. Abgesehen davon, dass eine Dame in Männerrunden noch nicht einmal ihre Arme entblößt, haben die hartgesottenen Tarifverhandler die alte Juristenweisheit verkannt: suaviter in modo – fortiter in re (freundlich im Ton, aber hart in der Sache). Wie beinhart und doch geschickt geschmeidig Frau Suckale verhandelt, haben die Lokführer zu ihrem Leidwesen erfahren, als ihre Kontrahentin den bärbeißigen Herrn des Feuers und des Eisens öffentlich vor einem Millionenpublikum zunächst in aller Liebenswürdigkeit demontierte, um ihn sodann herzlich mit offenen, allerdings wohlbedeckten Armen zum umgehenden Gespräch einzuladen. Dem konnte sich Manfred Schell nicht entziehen, und alsbald fanden die Streiks (von manchen als Anlass eingeschätzt, den nationalen Notstand auszurufen) ihr Ende. Margret Suckale hatte ihr unternehmerisches Meisterstück als Managerin abgeliefert.

In diesen Wochen wurde sie neben dem Vorstandsvorsitzenden zum zweiten Gesicht der Bahn und verlieh der Bahn selbst ein anderes Gesicht: unaufgeregt und unaggressiv, freundlich und doch bestimmt. Und mancher wird sich während der jüngsten Bahn-Turbulenzen gefragt haben, ob Napoleon Chemin der Fer nicht besser daran getan hätte, seine Chefdiplomatin vor die Öffentlichkeit treten zu lassen, um betriebswirtschaftlich-unternehmerisch höchst Vernünftiges Politik, Medien und allgemeiner Öffentlichkeit zu erläutern.

IV.

Margret Suckales Erfolg in den Tarifverhandlungen war keine unternehmerische Eintagsfliege, kein Zufallstreffer, sondern das Ergebnis klug entwickelter Unternehmensstrategie – wenn auch mit Fortune. Das Rüstzeug hierfür hat sich Frau Suckale mit ihrem MBA an der WHU in Koblenz/Vallendar geschaffen, einer wahrhaft exklusiven Institution, und mit Aufbaustudiengängen in St. Gallen und Harvard.

Und so ist auch deutlich spürbar, wie ihr Engagement für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Teil umfassender Unternehmensstrategie mit Zukunftsperspektive zu verstehen ist. Die Situation der Frauen in Deutschland ist auch und gerade im Vergleich mit der in anderen EG-Mitgliedstaaten beschämend schlecht; das gilt für die Wissenschaft ebenso wie für die Wirtschaft: Zwischen dem 30. und 35. Lebensjahr brechen vielversprechend glänzende Karrieren junger Frauen in der großen Mehrzahl ab, weil die deutsche Männerwelt sich als erschreckend unfähig und unwillig erweist, das Nebeneinander von Beruf und Familie zu unterstützen, insbesondere den jungen Frauen zu helfen, Anschluss an die rasanten Entwicklungen zu halten und sie nach ihrer Rückkehr in den Beruf wieder auf den Karrierepfad bis in Toppositionen zurückzuführen. Damit liegen wir weit abgeschlagen noch hinter Griechenland und Zypern. Frau Suckale liefert in ihrer Person den Nachweis: Unter den 533 Vorstandsmitgliedern in den hundert umsatzstärksten Unternehmen ist sie die einzige Frau. Wer das Leistungspotential der Frauen wie ich hundertfach erlebt hat, weiß um den vielfältigen Skandal – auch und nicht zuletzt unter volkswirtschaftlichen Aspekten: Auf die Begabung der Frauen, ihre teuer vermittelten Kenntnisse und Erfahrungen, auf ihre spezifischen Befähigungen kann Deutschland im weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe überhaupt nicht verzichten; anderenfalls wären wir mit dem Klammerbeutel gepudert.

Für Margret Suckale ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein strategisches Unternehmensziel, für das sie bei der Bahn ebenso eintritt wie beredt in der allgemeinen Öffentlichkeit. Und sie weiß, dass dieses Ziel heruntergebrochen werden muss in eine Fülle von Einzelmaßnahmen auf allen Ebenen; und sie praktiziert es in ihrem Verantwortungsbereich, damit Teilzeitarbeit nicht zur Karrierefalle wird. So habe ich als Gesellschaftsrechtler mit aufmerksamer Freude ihre Aufforderung an die deutsche Corporate Governance Kommission konstatiert, für mehr Diversität in den Vorständen und Aufsichtsräten zu sorgen – allerdings (angenehm zurückhaltend) auf strikt freiwilliger Basis. Im neuen Kommissionsmitglied Rechtsanwältin Weber-Rey hat Frau Suckale gewiss eine Kombattantin.

V.

Aktuell steht sie nach der jüngsten Umorganisation der Bahn erneut vor großen unternehmerischen Aufgaben und Herausforderungen als Managerin. Sie, die Personalchefin der börsennotierten „DB Mobil & Logistics” muss den bald 180.000 Beschäftigten vom Lokführer und Zugbegleiter bis hin zum Grobschmied im Ausbesserungswerk immer wieder verdeutlichen, dass nun auch die Eigenkapitalgeber Leistung und Erfolge im Wettbewerb sehen wollen. Und zusammen mit ihren Vorstandskollegen wird sie der Großaktionärin und ihren Repräsentanten, also der Bundesrepublik, wohl künftig häufiger klarmachen müssen, dass die Verkehrsunternehmen der Bahn normale Teilnehmer am nationalen und internationalen Wettbewerb sind. Die Zeiten, da der Verkehrsminister öffentlich die Abschaffung eines Bedienzuschlags einfordern und damit als Eigentümer in die Unternehmensleitung eingreifen kann, sind dann endgültig vorbei. In diesem Spannungsfeld ist Margret Suckale mit all ihren unternehmerischen und diplomatischen Begabungen gefordert. Das ist allemal reizvoller, weil herausfordernder, als sich in der Holding die Vorstellungen der Alleinaktionärin anhören und ihnen als Veranlassung zumeist folgen zu müssen.

*

Liebe Frau Suckale, möge der ehrenvolle und medienwirksame Preis, den Sie heute empfangen, Sie in Ihrer Position innerhalb des DB-Konzerns und in der deutschen Wirtschaft stärken und Ihnen helfen, Ihre Aufgaben erfolgreich und glücklich mit dem nötigen Quantum Fortune zu bewältigen. Zum „Mestemacher Preis Managerin des Jahres 2008” gratuliere ich Ihnen von ganzem Herzen.

Peter Hommelhoff