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Powerfrau in der Provinz

Die unkonventionelle Unternehmerin Ulrike Detmers erhält eine außergewöhnliche Auszeichnung

VON ANDREA FRÜHAUF

Gütersloh. Mancher Mann hält sie für nervig. Selbst Frauen suchen gelegentlich Distanz, nennen sie “verbissen”. Solche Vorurteile stören die Professorin Ulrike Detmers wenig. “Ich bin nervig, weil ich nicht locker lasse”, erklärt sie freundlich den feinen Unterschied. Dabei wirkt sie wie eine Frohnatur. “Heute sagt keiner mehr, dass ich eine verbissene Zicke bin”, sagt die Gütersloher Unternehmerin.

Gestern wurde Ulrike Detmers für ihre Hartnäckigkeit ausgezeichnet. In Berlin erhielt die 51-Jährige beim 17. Welt-Frauen-Gipfel (“Global Summit of Women”) als erste deutsche Business-Frau den “German Womens Entrepreneurship Award”.
Die Unternehmerin und Wirtschaftsprofessorin habe Herausragendes geleistet, so das Urteil von deutschen Führungsfrauen. Sie engagiere sich seit Jahren für die Gleichstellung von Frau und Mann in der Wirtschaft, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und “Mestemacher – the lifestyle bakery”.

1.000 Führungsfrauen aus aller Welt haben sich zum Welt-Frauen-Gipfel, der 2007 erstmals in Deutschland veranstaltet wird, angemeldet. Drei Tage lang diskutieren in Berlin weibliche Geschäfts-, Regierungs- und akademische Führungskräfte die Möglichkeiten und Herausforderungen, die der “globale Marktplatz des 21. Jahrhunderts” Frauen zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung bietet.

Detmers, die seit 1994 Mitgesellschafterin der Großbäckerei ist und Markenmanagement und Social Marketing verantwortet, verleiht selbst Preise. Seit 2002 zeichnet sie eine “Managerin des Jahres” mit dem Mestemacher Preis aus, um Frauen in Spitzenpositionen zu fördern. Dass dies auch dem Image von Mestemacher dient, sei ursprünglich nicht ihre Absicht gewesen. “Großbäcker haben mein Engagement immer belächelt, mich als Spinnerin betrachtet.” Doch die C-3-Professorin der FH Bielefeld (“Ich bin eine richtige Beamtin.”) ließ sich nicht beirren. Die Wirtschaftsprofessorin, die ihren Doktor in Philosophie machte und heute im Beirat des Interdisziplinären Frauenforschungszentrums der Universität Bielefeld sitzt, erwähnt lobend das Beispiel Norwegen, wo per Gesetz ab 1. Januar 2008 in börsennotierten Unternehmen mindestens 40 Prozent der Aufsichtsrats- und Vorstandsposten mit Frauen besetzt sein müssen.

Seit 2006 prämiert Mestemacher auch den anfangs belächelten “Spitzenvater des Jahres”. Dabei wollte Detmers den Spieß nur umdrehen: “Warum werden nur berufstätige Frauen als Rabenmütter kritisiert?” Einen sechsstelligen Betrag investiert Mestemacher jedes Jahr für soziale Projekte, darunter auch Kita-Preis und Frauenkalender.
Ihr Schwager Fritz Detmers, der wie ihr Mann Albert 50 Prozent der Unternehmensanteile hält, sei für solche Aktivitäten sehr aufgeschlossen. Und ihr Mann? “Der wusste, worauf er sich bei mir einlässt”, sagt sie schmunzelnd.
Während andere über sie lästerten, habe der immer nur gesagt: “Du bist so geduldig.” Sie war 15, als sie Albert Detmers über eine Freundin kennenlernte. “Es war Liebe auf den ersten Blick.” Mit 19 war sie verheiratet. Von Anfang an arbeitete sie mit im Familienbetrieb. Vielen Frauen wäre das genug. Ulrike Detmers wollte mehr, erkämpfte sich die eigene Karriere und boxte sich durch. “Mein Mann wollte immer, dass ich finanziell unabhängig war.” Heute arbeitet die Powerfrau schon mal 60 Stunden pro Woche. Der Professoren-Titel fiel ihr nicht in den Schoß. “Es war eine knallharte Zeit mit zwei kleinen Kindern”, sagt die Frau, die in einem Vier-Generationen-Haus in Bad Salzuflen lebt. Mit 24 bekam sie ihre Tochter Christine (26), drei Jahre später folgte Sohn Albert Hendrik (23).

Detmers, die gelegentlich ein Faible für Exzentrik hat, musste auch als Mutter gegen Widerstände kämpfen. Ihre Tochter hatte sich mit 16 in einen Mazedonier verliebt. Ihm drohte die Abschiebung. Detmers: “Vielleicht wurde Christine deshalb schwanger.” Im dritten Monat habe sie es ihr “gebeichtet”. Albert reagierte “irritiert”. Ulrike Detmers sagte spontan: “Toll. Willst du das Kind haben?”
Mit 16 trat die Schülerin mit einem Muslimen vors Standesamt – im kleinen, lippischen Kurort. Für die Unternehmerin noch heute eine unglaubliche Vorstellung. Gleich nach der Geburt besuchte ihre Tochter – heute geschieden und eine diplomierte Betriebswirtin, die vielleicht eines Tages in das Unternehmen einsteigen könnte – wieder das Gymnasium. “Selbst von Schülern gab es Widerstände.”

Auch deshalb verleiht Mestemacher seit 2001 den Kita-Preis, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Ulrike Detmers: “Ich selbst habe meine Kinder schon mit anderthalb Jahren zur Kindertagesstätte gebracht.”
Als sie sich vor einigen Jahren mit der Unternehmensgeschichte der Detmers und Mestemachers beschäftigte, erkannte sie: “Unternehmer-Frauen haben in der Geschichte immer mitgestaltet. Aber die Plattform zur Darstellung ihrer Leistungen wurde ihnen verwehrt.”
Noch immer erinnert manches an früher: Als sie den Titel Professorin erhielt, wurde ihr Mann auch schon mal mit “Herr Professor” angesprochen. “Wir haben noch viel zu tun”, sagt sie ruhig. Ihre blauen Augen funkeln, als wenn es tief innen in ihr brodelte.

Quelle: Neue Westfälische, 16. Juni 2007